Schultze Projects #2
Schultze Projects #3 Avery Singer
Oktober 2019 – Oktober 2021
Anlässlich der zweiten Ausgabe der Reihe Schultze Projects hat die US-amerikanische Künstlerin Avery Singer ein neues, ortsspezifisches Werk für das Treppenhaus des Museum Ludwig geschaffen. Die siebenteilige Arbeit ist über siebzehn Meter lang und dreieinhalb Meter hoch. Der Name der Reihe bezieht sich auf Bernard Schultze und seine Ehefrau Ursula (Schultze-Bluhm), deren Nachlass das Museum Ludwig verwaltet und zu deren Gedenken seit 2017 alle zwei Jahre eine Künstlerin oder ein Künstler eingeladen wird, ein großformatiges Werk für die prominente Stirnwand im Treppenhaus anzufertigen.
Avery Singer (geb. 1987 in New York) ist bekannt für ihre großformatigen Leinwände, auf denen sie Zitate aus der Kunstgeschichte oder klischeebehaftete Szenen aus dem Kulturbereich – etwa einen Atelierbesuch, die Aufführung einer Performance oder Vorstellungen vom bohèmehaften Künstlerleben – wiedergibt. Die aus konstruktvistisch anmutenden Gliederpuppen arrangierten Tableaus wirken dabei gleichermaßen humorvoll wie dystopisch. Manche der Figuren erscheinen wie virtuelle Charaktere, Avatare, die frisch aus der Kunstgeschichte oder der aktuellen Kunstwelt entsprungen sind, um dieser ihr eigenes Spiegelbild vorzuhalten. In ihrer aktuellen Arbeit für Köln greift Singer auf Motive aus früheren Bildern, wie Performance Artists, Happening, Flute Soloist oder Heidiland zurück, deren Titel schon verraten, dass die Sujets im erweiterten Bereich der bildenden Kunst angesiedelt sind. In ihrer teils ironischen Überzeichnung lassen die Darstellungen erkennen, dass die neoliberale Ökonomisierung nicht vor den Ateliers und Museen halt macht, sondern dass sie ganz im Gegenteil das Ideal künstlerischer Kreativität instrumentalisiert.
Dabei kontrastiert Singer in ihrer Malerei bewusst Schärfe mit Unschärfe und erzeugt so atmosphärische Räume, die an Computerspiele und andere digitale Kontexte erinnern. Auch in ihrem aktuellen Bild für das Museum Ludwig entstehen irrationale Räume, die von Gitterstrukturen überlagert werden. Durch das Aufeinandertreffen verschiedener, teils verschwommener Versatzstücke von Formen und Figuren entstehen verunklärte Perspektiven und merkwürdige Kippmomente. Mitunter widersprechen sich Licht- und Schattenverhältnisse, und einzelne Fragmente scheinen optisch aus dem Bildraum herauszutreten.
Singer entwickelt ihre Motive in Computerprogrammen wie SketchUp, das zur Simulation von Raumarchitekturen dient und auch bevorzugt zur Planung von Ausstellungen verwendet wird. Die Entwürfe projiziert sie auf eine mehrfach grundierte und polierte Leinwand, legt eine Vorzeichnung an, klebt dann die Kanten mit Klebeband ab und trägt schließlich mit einer Airbrush-Pistole Acrylfarbe auf. Je nach Größe der Arbeit kann dies mehrere Wochen oder Monate in Anspruch nehmen. Mit dem komplexen und außergewöhnlichen Entstehungsprozess ihrer Malerei und deren digitaler Ästhetik reflektiert Singer ganz grundsätzlich den Status von Bildern sowie deren Wirkung und Distribution in einem zunehmend durch neue Medien und Technologien bestimmten Umfeld.
Schon zu einem frühen Zeitpunkt ihrer Karriere wurde Avery Singer eine bemerkenswerte internationale Aufmerksamkeit zuteil. Sie hatte Einzelausstellungen in der Kunsthalle Zürich (2014), im Hammer Museum in Los Angeles (2015), im Stedelijk Museum in Amsterdam (2016) sowie zuletzt im Kölnischen Kunstverein (2017). Zudem nahme sie 2016 an der Jubiläumsausstellung Wir nennen es Ludwig. Das Museum wird 40! im Museum Ludwig und 2019 an der Biennale Venedig teil.
Über die Schultze Projects
Seit 1968 haben Bernard Schultze und seine Ehefrau Ursula (Schultze-Bluhm) als Künstlerpaar in Köln gelebt und gearbeitet. Über Jahrzehnte waren sie eine feste Größe im kulturellen Leben der Stadt und dabei dem Museum Ludwig stets in besonderem Maße verbunden. So beherbergt das Museum einen Großteil ihres künstlerischen Nachlasses. Mit seinen seit Beginn der 1950er Jahre entstandenen Arbeiten zählte Bernard Schultze zu den Pionieren des Informel in Deutschland. Das groß angelegte Werkformat war für sein Spätwerk ein zentraler Aspekt. Es stellt den substanziellen Bezugspunkt für die zu den Schultze Projects eingeladenen Künstler*innen dar.