Rus­sische Avant­garde im Mu­se­um Lud­wig – Orig­i­nal und Fälschung
Fra­gen, Un­ter­suchun­gen, Erk­lärun­gen

26. September 2020 – 2. Mai 2021

Immer mehr Museen öffnen sich nach langer Tabuisierung für einen transparenten Umgang mit nicht authentischen Arbeiten und tauschen Erkenntnisse aus. Mit einer Studioausstellung zur Russischen Avantgarde stellt sich das Museum Ludwig den Fragen nach Authentizität in seiner Sammlung. Die Russische Avantgarde bildet dank Peter und Irene Ludwig – neben Pop Art und Picasso – einen Sammlungsschwerpunkt des Museums: Sie umfasst 600 Arbeiten aus der Zeit von 1905 bis 1930, darunter rund 100 Gemälde.

Aus unterschiedlichen Gründen gelangten immer wieder Werke fraglicher Autorschaft in private und institutionelle Sammlungen. Arbeiten von Künstler*innen der Russischen Avantgarde wurden – zum Beispiel aufgrund ihrer verzögerten Rezeption nach dem Stalinismus – besonders häufig gefälscht. Noch in jüngster Zeit wurden Bilder aus dieser Epoche in Museen präsentiert, die sich als nicht authentisch herausstellten. Auch das Museum Ludwig ist betroffen und untersucht derzeit mithilfe internationaler Wissenschaftler*innen systematisch seinen Bestand an Gemälden. Diese Forschungen bilden einen wichtigen Beitrag im internationalen Diskurs zur Russischen Avantgarde. Ein Ziel ist es, Falschzuschreibungen in der Sammlung des Museums zu identifizieren und kenntlich zu machen.

Die Ausstellung präsentiert erste Ergebnisse. Anhand von 27 Werken von oder früher zugeschrieben an Ljubow Popowa, Kliment Redko, Nikolai Suetin, Nina Kogan, El Lissitzky und weiteren Künstler*innen werden kunsthistorische und technologische Methoden vorgestellt, die künstlerische Handschriften oder auch Falschzuschreibungen erkennbar machen. Neben Bildern aus der eigenen Sammlung werden einige ausgewählte Leihgaben aus dem Museum Thyssen- Bornemisza in Madrid und dem MOMus in Thessaloniki, das die berühmte Costakis Sammlung beherbergt, zu sehen sein. Durch diese freundlichen Leihgaben, alle Originale, können in bislang einzigartiger Weise fragliche Werke im direkten Vergleich mit ihren Vorbildern betrachtet werden.

Anhand prägnanter Beispiele können die Besucher*innen hinter die Kulissen schauen und sich selbst ein Bild von Provenienzrecherche und verschiedenen Untersuchungstechniken machen wie Infrarot- und Röntgenbildern, Gewebeuntersuchungen und Materialanalysen. Bestimmte Pigmentnachweise, wie etwa Titanweiß dienen als Marker, mit denen die vorgegebene Datierung eines Gemäldes überprüft werden kann. Die Ausstellung präsentiert unterschiedliche Perspektiven von Forscher*innen aus der Restaurierung, Kunsttechnologie und Kunstwissenschaft auf die Frage nach der Authentizität eines Kunstwerks.

Ein Film von Constantin Lieb (Produktion: art-beats.de) gibt Einblick in die Untersuchungen und die Zusammenarbeit mit Wissenschaftler*innen aus verschiedenen Bereichen.

Aktuelle Forschungsergebnisse der Ausstellung können Sie sich hier online ansehen.

Von den 100 Gemälden in der Sammlung Russischer Avantgarde im Museum Ludwig ist die Hälfte kunsthistorisch und kunsttechnologisch untersucht, die meisten von Dr. Maria Kokkori, Kunsthistorikerin und Kunsttechnologin am Art Institute of Chicago und Spezialistin im Bereich der Russischen Avantgarde in Zusammenarbeit mit der Gemälderestauratorin des Museum Ludwig, Petra Mandt. 14 Gemälde von Michail Larionow und Natalia Gontscharowa waren für eine Grundlagen-Untersuchung ausgewählt, die mit Dr. Jilleen Nadolny vom Art Analysis Research Institute in London durchgeführt wurde.

Die Untersuchungen der Gemälde wurden großzügig von der Peter und Irene Ludwig Stiftung sowie dem Russian Avant-garde Research Project unterstützt; zusätzliche Mittel kamen von der Gerda Henkel Stiftung und der ZEIT Stiftung. Die Ausstellung, der Katalog und das begleitende Symposium werden ebenfalls gefördert durch die Peter und Irene Ludwig Stiftung und dem Russian Avant-garde Research Project sowie von der Ernst von Siemens Kunststiftung, der Beatrix Lichtken Stiftung, den Freunden des Wallraf Richartz Museum und des Museum Ludwig und der Fritz Thyssen Stiftung.

Digitales Symposium

Zwischen dem 5. und 7. November 2020 fand ein digitales internationales Symposium zu der Ausstellung statt. Sie können sich die Vorträge jederzeit online ansehen:

Freitag, 6. November 2020:

Provenance Research and Attribution
Moderation: Rita Kersting, Museum Ludwig & Konstantin Akinsha, RARP Russian Avant-Garde
Welcome: Dr. Yilmaz Dziewior, Director Museum Ludwig
00:08:06: Prof. John Bowlt & Prof. Nicoletta Misler, University of Southern California & Università di Napoli
00:41:37: Irina Kochergina & Liubov Pchelkina, State Tretyakov Gallery, Moscow
01:20:42: Willem Jan Renders, Van Abbemuseum, Eindhoven
01:41:08: Vivian Endicott Barnett, Independent Scholar, New York
02:06:29: Prof. Dr. Konstantin Akinsha, Russian Avant-Garde Research Project and Visiting Fellow, Max Weber Kolleg, Erfurt

Russian Avant-Garde: Technological Research
02:45:12: Petra Mandt, Conservator Museum Ludwig
02:59:08: Dr. Maria Kokkori, The Art Institute of Chicago
03:31:20: Dr. Jilleen Nadolny, ArtDiscovery (formerly Art Analysis & Research), London
04:04:57: Dr. Svetlana Pisareva & Irina Kadikova, Laboratory of Physical and Chemical Research, The State Research Institute for Restoration (GOSNIIR), Moscow

Samstag, 7. November 2020:

Russian Avant-Garde and Museum
How museums handle Russian Avant-Garde works

Moderation: Rita Kersting, Museum Ludwig & Konstantin Akinsha, RARP Russian Avant-Garde
00:00:36: Marta Ruiz del Árbol, Curator Museo Nacional Thyssen-Bornemisza, Madrid
00:17:07: René Zechlin, Director Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen
00:32:12: Dr. Roxana Marcoci, Senior Curator MoMA, New York
00:50:44: Prof. Dr. Hubertus Gaßner, former Director Kunsthalle Hamburg (the lecture ia. about the Kurt Benedict Collection is not online due to legal reasons)

Avant-Garde, Art Market and Crime The Dark Side of the Boom. The mass faking of the Russian Avant-Garde
01:33:15: James Butterwick, art dealer and collector, London
02:00:28: Alex Lachmann, art dealer and collector, Cologne/London
02:22:53: Dr. Friederike von Brühl, K&L Gates, Berlin
02:45:52: Maria Klunke, Public Prosecutor / Staatsanwältin, Staatsanwaltschaft Wiesbaden
02:58:30: René Allonge, Federal Bureau of Investigations / Landeskriminalamt Berlin

Kuratorinnen: Rita Kersting und Petra Mandt mit Juliane Duft

Wir danken:

#russischeavantgarde

Publikation

Russische Avantgarde im Museum Ludwig - Original und Fälschung. Fragen, Untersuchungen, Erklärungen. Der Katalog zur Ausstellung ist im Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König, Köln erschienen, deutsch/englisch, ISBN 978-3-96098-897-7. Museumspreis: 25 Euro; Buchhandelspreis: Euro 29,80; hrsg. von Rita Kersting und Petra Mandt, mit Texten von Konstantin Akinsha, Friederike Gräfin von Brühl & Ruth Lecher, Meike Deilmann, Yilmaz Dziewior, Rita Kersting, Maria Kokkori und Petra Mandt.