Otto Freundlich, Sphärischer Körper, 1925, Pastell, Privatsammlung, Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln

Otto Freundlich.
Kosmischer Kommunismus

18. Februar – 14. Mai 2017

Er ist ein­er der originell­sten Ab­s­trak­ten des 20. Jahrhun­derts: In ein­er großen Ret­ro­spek­tive zeigt das Mu­se­um Lud­wig das Werk von Ot­to Fre­undlich (1878–1943).

Mit Hilfe von rund 80 Ex­po­nat­en zeich­net die Ausstel­lung Werk, Denken und Leben eines Kün­stlers nach, der Gemälde und Skulp­turen eben­so schuf wie Fen­ster und Mo­saike, der in lei­den­schaftlich­er Au­sei­nan­derset­zung mit der Kunst sein­er Zeit ei­nen ei­ge­nen Weg zur Ab­s­trak­tion fand und der sch­ließlich von den Nazis an den Rand ge­drängt, als „en­tartet“ ver­femt und als Jude er­mordet wurde.

Diese Aus­gren­zung und Aus­löschung von Werk und Kün­stler prägt noch im­mer die Rezep­tion. Viele von Fre­undlichs Ar­beit­en wur­den zer­stört. Sein Großer Kopf, den die Nazis 1938 auf das Titel­blatt ihres Ausstel­lungs­führ­ers „En­tartete Kunst" set­zten, ist noch heute sein bekan­n­testes Werk. Die Ret­ro­spek­tive er­möglicht nun eine Begeg­nung mit dem Ge­samtw­erk und rückt es in das Zen­trum der kun­st­geschichtlichen En­twick­lung. Sie set­zt ein mit den frühen Kopf-Plas­tiken und -Zeich­nun­gen und stellt die kaum bekan­n­ten ange­wandten Ar­beit­en neben die Skulp­turen, Gemälde und Gouachen. Und sie lie­fert Ein­blicke in Fre­undlichs Schriften, in de­nen er sein Schaf­fen sozial und kün­st­lerisch verortet hat.   

Fre­undlich, der seit 1924 in Paris lebte, war mit führen­den Kün­stlern sein­er Zeit be­fre­un­det. Ei­nen Ap­pell an den franzö­sischen Staat zum Ankauf eines sein­er Werke un­terzeich­neten 1938 De­lau­nay, Döblin, Kandin­sky, Pi­cas­so und viele an­dere. Charak­teris­tisch für seine En­twick­lung war zunächst die Nähe zur ange­wandten Kunst. In Tep­pichen, Mo­saiken und Glas­bildern schloss er an die Tra­di­tion der Zünfte an, um sie mit ein­er kollek­tiv­en Kunst der Zukunft zu verbin­den. In der leuch­t­en­den Flächigkeit al­ter Kirchen­fen­ster sah er die Be­gren­zun­gen ein­er plas­tischen, von den Kon­turen der Ge­gen­stände her konzipierten Kunst über­wun­den.   

Die­sen Weg ver­fol­gte er weit­er. Die Ab­s­trak­tion ver­s­tand er als Aus­druck ein­er radikalen Neuerung, die weit über die Kunst hi­naus­ging. Die gekrümmten Flächen sein­er Gemälde re­flek­tieren et­wa das Raumkonzept der Physik Al­bert Ein­steins, mit der er früh ver­traut war. Die Über­win­dung der Ge­gen­ständlichkeit hat aber auch eine soziale Di­men­sion. Für Fre­undlich war alle dingliche Wahrneh­mung von Be­sitz­denken durch­drun­gen und damit über­holt: „das Ob­jekt als Ge­gen­pol des In­di­vi­du­ums wird ver­sch­win­den; al­so auch das Ob­jekt­sein eines Men­schen für den an­dern“. Den Zusam­men­k­lang der Far­ben auf sei­nen Bildern sah er stets in einem Zusam­men­hang mit dem großen Ganzen. In dem Kom­mu­nis­mus, für den er kämpfte, sollte es keine Grenzen geben „zwischen Welt und Kos­mos, zwischen Men­sch und Men­sch, zwischen Mein und Dein, zwischen allen Din­gen, die wir se­hen“.   

Die Ret­ro­spek­tive ver­sam­melt zahl­reiche Lei­h­gaben. Eines der schön­sten Ex­po­nate aber stammt aus Köln: das Mo­saik Ge­burt des Men­schen (1919), das Na­tio­n­al­sozial­is­mus und Krieg wie durch ein Wun­der in einem Schup­pen über­s­tan­den hat. 1954 in­s­tal­lierte es die Stadt Köln im neu er­richteten Opern­haus. Da­nach geri­et es – ob­wohl es stets öf­fentlich zugänglich war – nach und nach aus dem Blick. Nun wird es im Mu­se­um Lud­wig gezeigt: als ein Hauptw­erk des Kün­stlers und zum er­sten Mal im Kon­text des Ge­samtw­erks.   

Im An­sch­luss wird die Ausstel­lung vom 10. Ju­ni –10. Septem­ber 2017 im Kun­st­mu­se­um Basel zu se­hen sein. Sie ent­s­tand in Zusam­me­nar­beit mit dem Musée Tavet-Dela­cour in Pon­toise (Frankreich), das Fre­undlichs Nach­lass be­her­bergt.   

Die Ausstel­lung ste­ht un­ter der Schirmherrschaft der Staats­min­is­terin für Kul­tur und Me­di­en, Prof. Moni­ka Grüt­ters.  

Ku­ra­torin: Ju­lia Frie­drich

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