Best of

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Mit der umfangreichsten Pop Art-Sammlung außerhalb der USA, der drittgrößten Picasso-Sammlung der Welt, einer der wichtigsten Sammlungen des Expressionismus und einer international bedeutenden Sammlung zur Fotografie ist das Museum Ludwig weltweit eines der renommiertesten Museen für die Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts. Einen weiteren Schwerpunkt, der bis heute konsequent erweitert wird, bildet die Sammlung zeitgenössischer Kunst, denn eine Sammlung ist nie abgeschlossen.

 

 

 

 

Marta Minujín

My Matress, 1962

Die argentinische Künstlerin Marta Minujín arbeitet mit gefundenen Materialien und arrangiert sie auf eigenartige Weise neu. Manche so gefundenen Formen zerstörte sie dann wieder in einem Schlag oder überlässt sie dem langsamen Verfall. My Mattress ist 1962 in Paris im Umfeld der Nouveau Realistes entstanden, kurz nach Minujín’s Ankunft aus dem vom Putsch betroffenen Buenos Aires. Die Elemente der Matratze, blau und schwarz bemalt, bäumen sich in eine Art großen Setzkasten wie in einem Schlachtfeld auf. Das Bett an der Wand erinnert an einen sich windenden Körper. Angesichts der dramatischen Situation in Argentinien, wo die roten und die blauen Generäle brutal um die Macht kämpfen, wird die private Matratze der Künstlerin als Zeichen persönlicher Intimität in seiner Verformung zu einem politischen Bild.

Peter Blake

ABC Minors, 1955

Mitte der 1950er Jahre malte Blake eine Reihe von Mädchen- und Jungenbildnissen, die sich mit Pubertät und der Emanzipation aus dem Stadium der Kindheit auseinandersetzen. Der Bildtitel bezieht sich auf den Namen eines Filmclubs für Kinder, dem der Künstler während der Kriegsjahre angehörte. Die Abzeichen an den Kragenrevers verbildlichen die Anstrengungen der beiden Jungen, erwachsen zu werden. Der Filmclub ermöglicht eine Definition der eigenen Person außerhalb der Familie, bedeutet Eigenständigkeit und einen Schritt in eine neue, in vielem noch unbekannte Welt. Gekonnt spielt Blake in der strengen Frontalität und den übergroßen Köpfen mit einer kindlich naiv anmutenden Malweise, die im Zusammenspiel mit psychologischem Nuancenreichtum den fragilen Grenzbereich dieses menschlichen Entwicklungsabschnitts treffend charakterisiert.

Andy Warhol

Doppel-Elvis, 1963

Andy Warhol löste mit seinen Werken die Grenzen zwischen Kunst und Kommerz auf und griff dabei auf alltägliche Motive der Konsumwelt zurück.1962 begann er seine Porträtreihe berühmter Persönlichkeiten, zu denen auch die Arbeit Two Elvis zählt. Als Vorlage verwendete er ein Foto aus dem Film „Flaming Star“ mit Elvis Presley in seiner Rolle als Cowboy. Warhols Porträt zeigt einen unnahbaren Helden der kommerziellen Welt, mit Hilfe des silbernen Hintergrunds zur Ikone erhoben. Bei diesem glänzenden Material handelt es sich jedoch um kein kostbares Edelmetall, sondern eine Imitation – eine Anspielung auf die Oberflächlichkeit und die Schattenseiten der Glamourwelt.

Jackson Pollock

Black and White No. 15, 1951

Jackson Pollock entwickelte ab 1946 eine wilde, spontane Malweise, genannt Action-painting: Er legte die Leinwand auf den Boden, umkreiste sie und spritzte und tropfte die Farbe von allen Seiten auf den Malgrund. Dabei entstand ein dichtes Liniengewirr, das wie ein Dickicht die Fläche füllte. Diese Bilder haben weder einen Anfang noch ein Ende. Nummer 15 hingegen verbindet abstrakte Farbspuren mit figurativen Andeutungen. Hier und dort taucht zwischen den schwarzen Farbströmen ein Gesicht oder eine Maske auf, um gleich darauf wieder im Dschungel der Linien zu verschwinden. Pollock strebte beim Malen einen tranceartigen Zustand an: „Wer aus dem Unbewußten malt, bringt zwangsläufig Figuren hervor.“

Jeff Wall

Woman and her Doctor, 1980-1981

Was auf den ersten Blick wie ein Schnappschuss oder ein Standbild aus einem Film wirkt, ist in Wahrheit sorgfältig inszeniert. Der Einsatz von Licht, Farbe und Details ist Teil der Komposition. Jeff Wall hat mehrere Monate lang daran gearbeitet; nicht umsonst bezeichnet man ihn als malenden Fotografen. Es ist das Unspektakuläre, das seine Bilder spektakulär macht: Der beiläufige Moment, die kleinen Gesten und Blicke. Verstärkt durch den Titel Frau und ihr Arzt drängen sich mehrdeutige Gedankenspiele über die Beziehung der zwei Figuren auf - Walls Werk erzählt eine Geschichte, deren Ende nur der Betrachter kennt.

August Macke

Dame in grüner Jacke, 1913

Warm und einladend wirkt die Promenade, auf der elegant gekleideten Paare flanieren. Ein flimmerndes Licht liegt über der Szene, das durch die gelben Nuancen der grünen Baumkronen und die terrakottafarbenen Schattierungen des Bodens erzeugt. Dame in grüner Jacke zeigt das Ufer des Thuner Sees, an den Macke sich 1913/14 für ein paar Monate zurückzog. Die Fensterbilder des französischen Maler Robert Delaunay, die durch ihre Zerlegung der Komposition in reine spektrale Farbflächen und die Einheit von Farbe und Licht, hatten einen nachhaltigen Eindruck auf Macke ausgeübt, der sich in diesem Bild äußert. Anders als bei Delaunay, den der Vorrang der Farbe zu rein abstrakten Bildern führte, blieb Mackes Kunst jedoch dem Gegenstand verhaftet.

Lubaina Himid

Le Rodeur: The Cabin, 2017

In einem bedrückenden Raum mit Blick auf das graue Meer und einen dunklen, wolkenbehangenen Himmel stehen sich zwei schwarzhäutige Männer gegenüber. Der eine in weißer Kleidung bietet eine große Torte an, der andere in einer bunten Uniform macht Musik. Gerahmt ist die Darstellung links und rechts von Ornamentstreifen. Das Gemälde ist Teil einer größeren Serie von Lubaina Himid. Sie beschäftigt sich in ihr mit dem historischen Ereignis im Jahr 1819, als auf einem Sklavenschiff alle Sklav*innen an Bord und die Besatzung an einer Augenentzündung erkrankten und erblindeten. Himid bildet in ihrem Historiengemälde die Geschichte der Sklaverei nicht ab, sondern findet neue Bilder, die der Todesgefahr eine einander zugewandte, solidarische Gemeinschaft gegenüberstellt, ohne die Bedrohung aufzulösen.

Georges Braque

La table de Bar Stout, 1912/13

Georges Braque, der neben Pablo Picasso als einer der führenden Vertreter des Kubismus gilt, malte das Stillleben in einer tonigen Beschränkung auf Blaugrau-, Braun- und Weißabstufungen. Der Betrachter scheint von oben auf einen Holztisch zu blicken, der den Fond bildet für ein komplexes Gefüge aus Form- und Schriftfragmenten, die Gläser und Flaschen, Mobiliar, Zeitungen oder den Namen der Bar Stout thematisieren. Die Materialität der dynamisch ineinander verflochtenen Gegenstandsteile ist zugunsten einer stellenweise fast transparenten Anmutung zurückgenommen, wobei die unterschiedlichen Farbaufträge, von illusionistisch gegebener Holzmaserung bis zu abstrakt gesetzten Texturen, ein reich nuanciertes, geradezu haptisch wirkendes Bildgefüge entstehen lassen.

Piet Mondrian

Tableau I, mit Schwarz, Rot, Gelb, Blau und Hellblau, 1921

Das in Paris entstandene Werk markiert eine neue Phase in der abstrakt-geometrischen Bildauffassung des Künstlers. Mondrian beschränkt sich auf unvermischt aufgetragene Primärfarben, die als Akzente innerhalb eines rechtwinklig konstruierten, asymmetrischen Liniengerüstes erscheinen und unterschiedlich viel Raum innerhalb der statischen Bildordnung einnehmen. Obwohl das Rot zunächst dominierend wirkt, befindet sich der gesamte Bildaufbau in einer Gleichgewichtsbeziehung. Die technisch präzise Malerei unterdrückt scheinbar jegliche persönliche Handschrift; winzige unregelmäßigkeiten des ohne Lineal geschaffenen Gemäldes relativieren diesen Eindruck jedoch. Als Mitbegründer der De-Stijl-Bewegung strebte Mondrian durch Konzentration auf das Wesentliche nach einer universellen Bildsprache sowie nach ausgewogenen kompositorischen Verhältnissen von Flächen und Farben. Ziel war die Gestaltung des gesamten menschlichen Umfeldes nach den Prinzipien des Neoplastizismus, also die Übertragung elementarer Proportionen auf Architektur und Raumgestaltung. Darin sollte das Gleichgewicht des Universums ebenso zum Ausdruck kommen wie die harmonische Ordnung der Gesellschaft.

Wols

Le fantôme bleu, 1951

Der 1951 im Alter von nur 38 Jahren verstorbene Wols gilt als die große Vaterfigur des Informel der 1950er Jahre. Er kommt Anfang der 1930er Jahre nach Paris, schreibt, zeichnet, musiziert und arbeitet als Fotograf. Seine frühen Zeichnungen, die teils deutliche Bezüge zu Paul Klee aufweisen, stehen noch unter dem Einfluss des Surrealismus. Die filigranen Liniengebilde verlieren jedoch allmählich ihre fantastisch beschreibende Funktion, um ein unmittelbar aus der spontanen Geste der Hand resultierendes Eigenleben zu führen. Die Zeichnung wird zum Seismogramm innerer Befindlichkeit und bringt in vehementer Niederschrift spontane Gefühlsregungen zu Papier. In den Ölbildern, die ab 1946 entstehen, gewinnen die Ausdruckswerte der Farben, ihre spröde oder pastose Materialität an Bedeutung. Le fantôme bleu (Das blaue Phantom) aus dem letzten Lebensjahr des Künstlers zeigt eine ins Zentrum gesetzte biomorphe Figur mit augen- und fühlerartigen Attributen, deren vage Gestalthaftigkeit durch die spannungsgeladene Farbgebung einen halluzinatorischen Eindruck erzeugt.

Yves Klein

Anthropometrie: ANT 130, 1960

In der Gruppe der Nouveaux Réalistes, die er selbst mitbegründet hat, scheint Yves Klein deplatziert, denn Realismus war seine Sache nicht. Er strebte erklärtermaßen das „Immaterielle“ an, und selbst noch in dem Blauton, den er bevorzugte, erkannte er das „sichtbar werdende Unsichtbare“. Doch traf er sich mit Nouveaux Réalistes in der Benutzung von Zufallsprinzipien. Den Zufall beschwörte er jedoch nicht im Alltag, sondern in fast kultischen Zeremonien. Nackte Mädchen bestrich er mit seiner Farbe. Als „lebende Pinsel“ drückten sie sich auf Papierbahnen an der Wand oder auf dem Boden. Das Ganze fand vor Publikum, oft mit Musikbegleitung, statt. In einer Art Wandlung wird hier ein Körper, seine Kreatürlichkeit, seine Bewegung, zu etwas Flüchtigem, Geistigem – zu einem Abdruck in zartem Blau.

Ernst Ludwig Kirchner

Fünf Frauen auf der Straße, 1913

Mit ihren Federhüten und gefiederten Kragen erscheinen die Fünf Frauen auf der Straße wie Vögel. Die „Bordsteinschwalben“ oder „Kokotten“, wie die Berliner Straßenprostituierten damals genannt wurden, war die direkte Kontaktaufnahme mit den Freiern polizeilich untersagt und so diente die auffällige Kleidung als Erkennungszeichen. Die Frauen stehen als Gruppe und bleiben doch isoliert. Die linke Figur schaut als einzige verstohlen auf das dunkle Auto am Straßenrand. Ihre vier Kolleginnen dagegen blicken nach rechts auf die Schaufensterscheibe rechts, die die begehrten Waren drinnen und die Prostituierten draußen sowohl trennt als auch miteinander gleichsetzt. Kirchner findet eine überraschende Lösung, die vertikale Trennlinie zwischen den beiden Welten als schroffe Tatsache ins Bild zu setzen: Die vordere zentrale Figur ist wie abgeschnitten, ihr Körper wächst hinter einer unsichtbaren Kante, als presste sie sich an eine Scheibe mitten auf dem Gehweg, ein Bild für die Unmöglichkeit einer Berührung und für unerfüllbares Begehren.

Kai Althoff

Ohne Titel, 2008

Die ausladende und zugleich filigrane, schmiedeeiserne Skulptur scheint aus einer anderen Zeit zu stammen. Sie zeigt eine Frauenfigur, die ihren Kopf tief hinabbeugt, während sie die Hände in den Puffärmeln in den Himmel reckt. Schuhe, Pumphose wie auch das stilisierte Gesicht erinnert an Zeichnungsstile der Gebrauchsgrafik der 1950er Jahre. Wegen der exaltierten Gestik wirkt die Skulptur theatral. Das Performative kennzeichnet Kai Althoffs Werk allgemein, da Musik und Theater gleichberechtigt neben Zeichnung, Malerei, Installation und Video stehen. Häufig kombiniert Althoff die Elemente zu Gesamtkunstwerken, die alle Sinne aktivieren. Auch die unbetitelte Skulptur war Teil einer Einzelausstellung in Vancouver, in der die Kunstwerke wie auf einer Theaterbühne arrangiert waren und die Besucher*innen einluden, Teil von ihr zu werden.

Mark Rothko

Earth and Green, 1955

Erst im Alter von 46 Jahren löste sich Mark Rothko von der gegenständlichen Malerei und wandte sich der Abstraktion zu. Ab 1950 malte er schwebende, einfarbige Flächen, die nur auf die Wirkung der Farbe abzielten. In Erdbraun und Grün sind zwei Rechtecke parallel auf einem blauen Hintergrund angeordnet. Durch ihre verschwommenen und nebelhaften Randlinien scheinen die Formen im blauen Raum zu schweben und in diesem beinahe zu verschwinden. Die Auflösung der Farbstruktur erzeugt so eine meditative, übernatürliche Wirkung. Die fehlenden Spuren des Entstehungsprozesses – es ist kein Pinselstrich erkennbar – machen es dem Betrachter möglich, unbefangen in die Aura des Bildes einzutauchen.

Gerhard Richter

Ema-Akt auf einer Treppe, 1966

Ema - Akt auf einer Treppe von 1966 ist das erste Bild, für das Gerhard Richter eine selbst fotografierte Vorlage verwendete. Die malerische Transformation des Fotos verleiht der Frauenfigur eine lichthafte Ausstrahlung. Durch das Verwischen der Farbe - den visuellen Effekt der Unschärfe erzielt der Künstler, indem er mit trockenem Pinsel über die noch nasse Farbe streicht - wird die Darstellung unbestimmt gehalten, wie bei einem unscharfen Foto, was die Aufmerksamkeit eher auf die malerischen Mittel als auf das Sujet lenkt. Das Motiv verweist auf Marcel Duchamps Akt, eine Treppe herabsteigend von 1912 - ein Gemälde, das Richter sehr schätzt, aber er „konnte es nicht akzeptieren, dass damit ein bestimmter Akt zu malen erledigt war. Also habe ich das Gegenteil gemacht und einen ‚konventionellen‘ Akt gemalt. Das lief aber sehr unbewusst, nicht strategisch."

Gilbert & George

Drunk with God, 1983

Wie auf einem Tableau, auf dem die Größenverhältnisse ignoriert sind, haben Gilbert und George die farbig übermalten Fotografien arrangiert. Der Titel verweist auf Bacchus, den Gott des Weins und sexueller Potenz. Die Motive und die Komposition orientieren sich aber nicht an der überbrachten Ikonographie. Vielmehr verarbeiten Gilbert und George, die in den 1960er Jahren als „lebende Skulpturen" bekannt wurden, hier ihre eigene Bildsprache, die aus langjähriger Zusammenarbeit her vorgegangen ist. Die Künstler übernehmen in ihrem Bildprogramm die Rolle von Mittlern und Aufklärern, um Themen wie Homosexualität und Drogen zu einer Öffentlichkeit zu verhelfen. Dahinter steht die Überzeugung, dass Kunst eine gesellschaftliche Aufgabe hat und, diese wahrnehmend, Veränderungen anstoßen kann.

Maria Lassnig

Vom Tode gezeichnet, 2011

Maria Lassnig verfolgt in ihrer Malerei die Darstellbarkeit von äußerer und innerer Realität, von beobachtetem Körper und gefühltem Leib . Aus dieser Auseinandersetzung entwickelt sie eine eigene Bildsprache. Sie wird in dem Gemälde „Vom Tode gezeichnet“ neu gewendet, da die Künstlerin den nicht vermittelbaren Akt des Sterbens selbst als Thema wählt. Sie nimmt das geflügelte Wort buchstäblich, indem sie eine nur mit roten Linien umrissene Figur zwischen Geist und technischer Apparatur darstellt, die Lassnigs Porträt zeichnet. Bleibt die grundierte Leinwand in den Umrissen stehen, so ist um die Figuren herum alles flammend rote Malerei. Lassnig schuf das Gemälde mit 92 Jahren, drei Jahre vor ihrem Tod. Es ist die schonungslose Konfrontation des Selbst mit der Endlichkeit des Lebens, die das Gemälde eindrucksvoll vermittelt.

Otto Dix

Bildnis Doktor Hans Koch, 1921

Otto Dix ist einer der großen Porträtisten des 20. Jahrhunderts. Seine Porträttechnik fasziniert nicht nur aufgrund ihrer mimetischen Darstellungsweise, er bringt mit ihr auch eine Spannung zwischen realem Vorbild und künstlerischem Abbild zum Klingen.

Dass die Perspektive des Malers auf sein Modell jedoch zutiefst subjektiv ist, lässt sich am Bildnis des Düsseldorfer Urologen Hans Koch erkennen: Der Arzt erscheint inmitten eines martialisch anmutenden Apparates an medizinischen Geräten geradezu wie ein Folterknecht. In seiner geschundenen Körperlichkeit wirkt er selbst wie ein Opfer der Möglichkeiten moderner Medizin. Sein Blick entgleist hinter dem Kneifer, tiefrot leuchtet der Schmiss auf der Wange auf, über sein fliehendes Kinn zieht sich eine Narbe.

Schonungslos überzeichnend, zählt Dix zu den Mitbegründern des veristischen Flügels der Neuen Sachlichkeit. Zur Steigerung des Ausdrucks benutzt er nicht nur die Form. Auch die bestimmenden Farbtöne Im Porträt von Dr. Koch – fahles Eierschalen-beig und rot-braun verweisen auf die Fachrichtung des Dr. Koch, der sich als Urologe mit den wenig appetitlichen Innereien des Menschen beschäftigt. Dr. Koch war nicht nur Arzt, sondern auch ambitionierter Kunstsammler und maßgeblicher Förderer von Dix.

Marcel Duchamp

Roue de bicyclette, 1913/1964

„Ich bemühe mich, das Vertraute ins Fremdartige zurückzuversetzen.“ Wirklichkeit und Unwirklichkeit gehen im Bild von René Magritte eine irritierende Verbindung ein. Der winzige Voyeur im Vordergrund lässt die Nackte als Riesin erscheinen und kippt damit die Situation ins Absurde. Im rechten Teil des Gemäldes steht ein verändertes Zitat aus Charles Baudelaires Dichtung Die Blumen des Bösen. Fast alle Surrealisten schätzten den französischen Schriftsteller, der sich wie sie mit den Grenzbereichen von Wirklichkeit, Unwirklichkeit und Traum auseinandersetzte. Magritte gibt mit seinem Bild ein unlösbares Rätsel auf, das sich zwischen den Polen Dichtung, Traum, Dominanz und Erotik aufspannt.

Edward Kienholz

The Portable War Memorial, 1968

Inspiriert wurde Edward Kienholz zu dieser Arbeit durch die Rückgabe der Insel Iwo Jima an Japan, die 1945 von Amerika erobert worden war. Die Soldatengruppe geht auf ein preisgekröntes Pressefoto zurück, das ein Journalist nach der Eroberung der Insel geschossen hatte. Obwohl das Foto gestellt war, diente das Motiv für Briefmarken, Plakate und ein berühmtes Kriegsdenkmal in der Nähe von Washington. Metallgriffe an der Platte, auf der die kopflose Soldatengruppe von Kienholz steht, verweisen auf den Titel: Tragbares Kriegsdenkmal. Denkmäler erscheinen damit ebenso austauschbar wie die mit Kreide verzeichneten 475 Länder, die es einmal rund um den Globus gegeben hat. Kriege haben die Grenzen neu gezogen. Ganz links verkörpert die Dame in der Tonne die Schlagersängerin Kate Smith, die 1938 mit Ihrem Song „God Bless America“ berühmt wurde. Daneben hängt das Mobilmachungsplakat des Uncle Sam mit dem 1917 Soldaten angeworben wurden. Rechts geht der Alltag wie gewohnt weiter, nur ein kleiner verbrannter Tarzan ganz unten am rechten Grabstein erinnert an die atomare Bedrohung, die den Alltag überschattet.

Natalja Gontscharowa

Stillleben mit Tigerfell, 1908

Natalja Gontascharowa gehörte zu den vielen Künstlerinnen, die die russische Avantgarde vor über 100 Jahren mit begründet haben. Sie interessierte sich für die modernen Entwicklungen in der Kunst im Westen, für die bäuerliche Volkskunst in Russland, und für die Kultur in Asien. Auf ihrem frühen starkfarbigem Stillleben von 1908 liegen Bilder unterschiedlichster Herkunft dicht drapiert und beinah den Rahmen sprengend auf einem grünen Sofa mit roter Decke: eine japanische Kabuki-Szene, eine antike Grablegung, eine christliche Darstellung und ein Tigerfell. Diese so unterschiedlichen Bilder im Bild sind ein Teil des kulturellen Fundaments, auf dem Gontscharowa zusammen mit anderen die neue Avantgarde aufbaut, eine Kunst, die nicht nur Gemälde hervorbringt, sondern in alle kulturellen Gattungen hineinwirkt, und letztendlich auch in die Gesellschaft.