Voiceover. Felice Beato in Japan

19. Fe­bruar – 12. Ju­ni 2022

In ein­er Präsen­ta­tion im Fo­to­raum stellt das Mu­se­um Lud­wig hand­kolo­ri­erte Auf­nah­men des italienisch-bri­tischen Fo­to­grafen Fe­lice Bea­to aus. Sein west­lich­er, ex­o­tisieren­der Blick auf das im Ate­li­er nachgestellte alte Ja­pan, wird in der Präsen­ta­tion durch ge­sproch­ene Kom­mentare von Ja­pan­er*in­nen er­weit­ert.

1863 reiste der italienisch-bri­tische Fo­to­graf Fe­lice Bea­to (*1832 Venedig,†1909 Flo­renz) in ein Ja­pan, das erst kür­zlich be­gon­nen hatte, sich dem West­en zu öff­nen und den großen ge­sellschaftlichen Um­bruch vom Feu­dal­sys­tem der Edo-Zeit (1603–1868) zur kaiser­lichen Mei­ji-Ära (1868–1912) durch­lebte. Trotz­dem sollte Bea­to bis 1884 in der Hafen­s­tadt Yoko­ha­ma ein Fo­toate­li­er be­treiben, in dem er aussch­ließlich Bilder eines al­ten Ja­pans verkaufte. Seine Gen­reauf­nah­men und Land­schaften er­schie­nen dabei in großen Au­fla­gen und ver­streuten sich über den ge­samten Globus. Bevor das Fo­to­gra­fieren mit Klein­bild­kam­eras und Roll­film Ende des 19. Jahrhun­derts leichter zu hand­haben wurde, kauften vor allem Han­del­sleute, Mis­sionare, Di­plo­mat­en, Mil­itärs und Ja­pan-Reisende Bea­t­os Fo­to­gra­fien. Als Einze­lauf­nah­men oder auf in­di­vi­du­ellen Wun­sch zu Al­ben ge­bun­den und mit erk­lären­den Tex­ten verse­hen, kon­n­ten die auf Kar­ton aufge­zo­ge­nen und von Hand kolo­ri­erten Al­bu­min­abzüge di­rekt im Ate­li­er er­wor­ben wer­den. Wur­den Bea­t­os frühe Ja­pan-Bilder noch von seinem Part­n­er Char­les Wirg­man kolo­ri­ert, über­nah­men das zuneh­mend seine ja­panischen Ate­lier­mi­tar­beit­er, die in der Kunst des Farb­holzsch­nittes oder der Kal­li­gra­fie geschult waren. 1872 beschäftigte Bea­to zwei As­sis­ten­ten, vi­er Fo­to­grafen und vi­er Koloris­ten. Trotz ein­er solch kom­merzial­isierten Bilder­pro­duk­tion han­delt es sich bei jed­er Fo­to­gra­fie da­her um ein Unikat. Und die Sou­venir­fo­to­gra­fie in Yoko­ha­ma – auch bekan­nt un­ter dem Na­men Yoko­ha­ma Shashin („Yoko­ha­ma-Fo­to­gra­fie“ oder Schule von Yoko­ha­ma) – wurde für eben diese Kolo­rierun­gen berühmt.

Es ist ein west­lich­er, ex­o­tisieren­der Blick auf ein vermeintlich zeit­los­es Land, den Bea­t­os Bilder tran­s­portieren und der bis heute die Wahrneh­mung des Insel­s­taates prägt. Wir se­hen Men­schen bei un­ter­schiedlichen Hand­lun­gen in der sorgfältig ar­rangierten Kulisse eines Fo­toate­liers, sel­ten­er auch draußen. Dass wir den Na­men der fo­to­gra­fierten Per­son nicht mit Sicher­heit ken­nen, liegt auch daran, dass Bea­to meist Mod­elle an­stellte, die dann mit kul­turell tradierten Requisiten ausstaf­fiert wur­den, um et­wa Tänz­erin­nen oder Musik­erin­nen darzustellen.

Dem ge­genüber ste­hen Holzsch­nitte von ja­panischen Kün­stlern des 19. Jahrhun­derts, die west­liche und frühe ja­panische Fo­to­grafen in teils hu­mor­vollen Sze­nen zei­gen. Durch vorab aufgezeich­nete ge­sproch­ene Kom­mentare von heuti­gen Ja­pan­er*in­nen, al­so eines Voiceovers, ent­ste­ht vor den Bildern Bea­t­os zu­dem eine akustische Über­lagerung, ein ge­mein­sames Her­an­tas­ten und Hin­ter­fra­gen.

Alle gezeigten Fo­to­gra­fien und Lack­al­ben stam­men aus der Samm­lung des Fo­to­jour­nal­is­ten Robert Le­beck, der 1961 für die Re­por­tage „Ja­pan – I see!“ im Mag­azin Kris­tall er­st­mals selbst nach Ja­pan gereist war, um dort u.a. das er­ste Atom­kraftw­erk zu fo­to­gra­fieren. Seine Fo­to­gra­fische Samm­lung wurde 1993 an das Mu­se­um Lud­wig übergeben.

Ku­ra­torin­nen: Miri­am Szwast und Meike Deil­mann

#Fe­lice­Bea­to