August & Marta. Wie August Sander die Malerin Marta Hegemann (und ihr Kinderzimmer!) fotografierte

16. Ok­to­ber 2021 – 23. Jan­uar 2022

In der Präsen­ta­tion im Fo­to­raum un­terneh­men wir den Ver­such, ein Kin­derz­im­mer, für das Mar­ta Hege­mann 1929 mehrere Wandgemälde ent­warf, er­leb­bar zu machen. Außer Fo­to­gra­fien, die Au­gust San­der auf­nahm, ist davon heute nichts mehr er­hal­ten. Zusam­men mit Porträts und Orig­i­nal­gra­fiken von Hege­mann näh­ern wir uns ihren En­twür­fen für die Wandges­tal­tung und la­den ex­pl­iz­it die ganz Jun­gen dazu ein, sie zu erkun­den.

Wie stolz und wild sie auf dem Fo­to von Au­gust San­der aus dem Jahr 1925 aussie­ht, die Ma­lerin Mar­ta Hege­mann, die früher auch ein­mal als Lehrerin für Zeich­nen und Sport gear­beit­et hatte und Mut­ter von zwei Söh­nen war. Bluse und Hals­kette schei­nen ir­gend­wie ver­rutscht und ins Gesicht hat sie sich außer­dem aller­lei Zeichen ge­malt: ein Kreuz, ei­nen Punkt, Vögel – Mo­tive, die wir von ihren Bildern ken­nen. Als Hege­mann vi­er Jahre später einige Wandgemälde für ein Kin­derz­im­mer ent­warf, war es wied­er Au­gust San­der, der die Ar­beit daran und das Ergeb­nis mit der Kam­era fes­thielt. Zu se­hen waren die Gemälde 1929 in der Ausstel­lung Raum und Wand­bild im Köl­nischen Kun­stverein. Ini­tiiert vom Ar­chitek­ten Hans Heinz Lütt­gen, waren acht Maler*in­nen ein­ge­la­den wor­den, jew­eils ei­nen Muster­raum zu ges­tal­ten. Mar­ta Hege­mann hatte zu­vor bere­its Spiel­plätze ent­wor­fen, hi­er kam ihr al­so das Kin­derz­im­mer zu. An­dere Muster­räume waren z. B. ein Ar­beit­sz­im­mer von Franz Wil­helm Sei­w­ert, ein Speisez­im­mer von Richard See­wald, ein Wohnz­im­mer von Jankel Adler. Luise Straus-Ernst hob aber das Kin­derz­im­mer in der Zeitschrift Deutsche Kunst und Deko­ra­tion be­son­ders lobend her­vor und beschrieb, wie Hege­mann „kün­st­lerische und kindliche An­sprüche gleicher­maßen (er­fülle)“, in­dem sie „die Wände mit einem fröh­lichen Spiel von Kin­dern, flat­tern­den Vögeln, Blu­men, Schif­fchen und Ster­nen über­zog, das dem ganzen Raum lichte Heit­erkeit ver­lie­h“. Lei­der gel­ten die Werke sei­ther als ver­s­chollen. Dank der Auf­nah­men von Au­gust San­der wis­sen wir aber wie sie aus­sa­hen – zu­min­d­est in Sch­warzweiß.

Zwei jew­eils zwei mal zwei Me­ter große Gemälde waren darin zen­tral. Auf bei­den ste­ht ein Kind im Mit­telpunkt. Sie sind umgeben von Vögeln, Ster­nen, Booten, vor bei­den liegt ein aufgesch­la­genes Buch und beide sind umgeben von Wass­er; weit im Hin­ter­grund das Land mit Häusern und Pfer­dchen. Möglichkeit­s­räume schafft Hege­mann in die­sen Bildern, die hi­naus­führen aus dem All­t­ag in ein­er Stadt, in ein­er Fam­i­lie, in der Schule. Mit seinem Zelt, Holzpferd und Fed­er­sch­muck imaginiert sich eines der Kin­der nach Ameri­ka zu den First Na­tions, dessen Kon­turen im aufgesch­la­ge­nen Buch vor ihm zu erken­nen sind – eine Form der kul­turellen Aneig­nung, für die wir mit dem Blick von heute sen­si­bil­isieren möcht­en. Dem an­deren Kind sitzt ein Äf­fchen zu Füßen. Rock mit Schürze mö­gen an­deuten, dass es einem Beruf nachge­ht? Verk­lei­dun­gen und Rollen beschäftigten Hege­mann in all ihr­er Kunst. Sie kön­nen Frei­heit spüren lassen – Frei­heit von sich selbst, der ei­ge­nen Lebens­si­t­u­a­tion – oder ver­weisen auf Rol­len­zwänge. Hege­mann durfte als Frau da­mals nicht ein­fach und über­all Kunst studieren, darum wählte sie den Umweg als Zeichen­lehrerin. In dem Porträt von Au­gust San­der be­malte sie ihr Gesicht und in­sze­nierte sich damit selb­st­be­wusst als Ma­lerin, nicht ohne Au­gen­zwink­ern, wie es scheint.

Die Fo­to­gra­fien und Gra­fiken, die wir präsen­tieren, wer­den in eine kindgerechte Höhe ge­hängt. Die Wandgemälde Hege­manns wer­den in Orig­i­nal­größe re­pro­duziert. Die jun­gen Be­such­er*in­nen sind ein­ge­la­den, selbst ak­tiv zu wer­den und dem Sch­warzweiß der Fo­to­gra­fien ihre Farb­fas­sung von Hege­manns Gemäl­den ent­ge­gen­zusetzen.

Ku­ra­torin: Miri­am Szwast

#M­Lx­Au­gus­tUnd­Mar­ta