Unbeugsam und ungebändigt-
Dokumentarische Fotografie um 1979
28. Juni bis 16. November 2014
In Zeiten umfassender gesellschaftlicher Umbrüche wird die Fotografie zu einem wichtigen Medium. Denn als Abbild der Wirklichkeit besitzt sie eine unmittelbare Wirkung, die der Fototheoretiker Roland Barthes in seiner 1979 erschienenen Schrift 'Die Helle Kammer' ungebändigt nannte. Es ist dieser direkte Realitätsbezug, „das Erwachen der unbeugsamen Realität“, der das Dokumentarische als künstlerische Haltung in Umbruchszeiten bedeutsam macht.
Das gilt zum Beispiel für die Jahre um 1979 – der Beginn der sogenannten Krisenjahrzehnte, deren Auswirkungen die weltweiten ökonomischen und politischen Verhältnisse bis heute prägen. Die Künstler und Fotografen beobachteten und dokumentierten den globalen Wandel über längere Zeiträume in der Regel dort, wo sie lebten. Zum Teil entstanden große Fotokonvolute. Daher steht in der Ausstellung nicht das Einzelbild, sondern die Serie im Mittelpunkt.
Die Ausstellung präsentiert Fotoserien von 13 Fotografen und Künstlern aus der Sammlung des Museum Ludwig, erweitert um Leihgaben, die exemplarisch die Sammlung ergänzen. Hierunter befinden sich Arbeiten von Robert Adams, Derek Bennett, Joachim Brohm, David Goldblatt Candida Höfer, Miyako Ishiuchi, Sanja Ivekovic, Ute Klophaus, Karl C Kugel, Boris Mikhailov, Gabriele und Helmut Nothhelfer, Thomas Ruff und Raghubir Singh.
Die dokumentarische Haltung ist nicht in den Fotografien allein, sondern auch in ihrem Gebrauch zu entdecken. Fünf Fragen werden daher in der Ausstellung an jede Fotoserie gerichtet: Wer hat die Aufnahmen gemacht, wann und wo, in wessen Auftrag, an wen sind sie adressiert, wo und wie wurden sie erstmals veröffentlicht? Und welche Möglichkeiten der Annäherung an Fotografie können in der Gegenwart bestimmt werden?
Der Titel der Ausstellung geht zurück auf Roland Barthes Schrift Die helle Kammer von 1979. Hier unterschied Barthes zwei Umgangsweisen mit der Fotografie – ihre Zähmung durch ästhetische Kategorien wie Autorschaft, Oeuvre und Genre oder das Zulassen ihrer Verrücktheit, das in dem „Erwachen der unbeugsamen Realität“ in der Fotografie begründet liege. Etwa zwanzig Jahre später zeigten die documenta X und documenta 11 1997 und 2002, dass die zweifache Betrachtung der Fotografie als Kunst und als Abbild der Wirklichkeit sich nicht widersprechen muss. Im Gegenteil – nach Okwui Enwezor ist gerade die Fotografie als Dokument dazu in der Lage, Ästhetik und Ethik in ein neues Verhältnis zueinander zu setzen. Heute – 35 Jahre nach Erscheinen von Barthes’ Essay Die helle Kammer – zeigt die Ausstellung Unbeugsam und ungebändigt dokumentarische Fotografien, die um 1979 entstanden sind, um sie auf ihre ästhetischen und ethischen, performativen und politischen Bezüge zur „unbeugsamen Realität“ hin zu befragen.
Kuratorin: Barbara Engelbach
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