Phil Collins.
In every dream home a heartache

18. April bis 21. Juli 2013

Aufgewach­sen in Nor­deng­land in den 70er und 80er Jahren, gel­ten Phil Collins In­teressen der Musik, dem Fernse­hen und im weitesten Sinne der Pop­kul­tur, die in dies­er Zeit grün­det. In sei­nen Fil­men, Fo­to­gra­fien und Live Events un­ter­sucht er das Ver­hält­nis von Men­sch und Kam­era und die Ei­gen­schaften des jew­eili­gen Medi­ums im alltäglichen Kon­text. Collins Ar­beitsweise bein­hal­tet im­mer auch den di­rek­ten Kon­takt zu sei­nen Mit­men­schen, die an den pro­jek­thaft an­gelegten Ar­beit­en par­tizipieren und zu Pro­ta­g­on­is­ten sein­er Ar­beit­en wer­den. In der Ver­gan­gen­heit waren das u.a. zu Dis­co-Musik tanzende Palästin­er, The Smiths-Fans aus drei Konti­nen­ten und Marx­is­mus-Lenin­is­mus-Lehr­er von Schul­den in der ehe­ma­li­gen DDR. Die Pro­jekte wer­den häu­fig vor Ort durch Zei­tungsanzei­gen und Posterkam­pag­nen an­nonciert, oder neh­men For­men von Cast­ings und Pressekon­ferenzen an, die zu ein­er weitreichen­den Platt­form für diese häu­fig sehr emo­tio­n­al aufge­la­de­nen Au­sei­nan­derset­zun­gen und gleich­sam zum Selb­stzweck wer­den.

Für seine Ausstel­lung im Mu­se­um Lud­wig wurde in Zusam­me­nar­beit mit sein­er Pro­duk­tionsini­tia­tive Shady Lane Pro­duc­tions die neue Ar­beit my heart's in my hand, and my hand is pierced, and my hand's in the bag, and the bag is shut, and my heart is caught, in Köln re­al­isiert, bei der er auf die Par­tizi­pa­tion der Gäste von GUL­LIV­ER, ein­er Über­lebenss­ta­tion für Ob­dachlose angewie­sen war. Dafür hat er in der Sta­tion, un­weit des Mu­se­ums, eine Tele­fonzelle in­s­tal­liert, die von den Gästen für kosten­lose Fer­nge­spräche genutzt wer­den kann, un­ter der Be­din­gung, dass die Ge­spräche aufgezeich­net und anonymisiert wied­erver­wen­det wer­den dür­fen. Das Ma­te­rial wurde an­sch­ließend an ver­schie­dene in­ter­na­tio­nale Musik­er geschickt, die es als Aus­gangspunkt für musikalische Neuin­ter­pre­ta­tio­nen nutzten, die den Be­such­ern in der Ausstel­lung als neue Songs auf 7" Vinylschall­plat­ten in ei­gens ge­baut­en Hörk­abi­nen präsen­tiert wer­den, von wo aus sie den Köl­n­er Haupt­bahn­hof, wo GUL­LIV­ER an­säs­sig ist, über­blick­en kön­nen. Das Pro­jekt bein­hal­tet Beiträge von namhaften Kün­stlern wie David Syl­vian, Scrit­ti Polit­ti, Læti­tia Sadi­er und Da­mon & Nao­mi, weg­weisende ex­per­i­men­telle und In­die-Acts (Demdike Stare, Plan­n­ing­torock, Maria Min­er­va, Heroin In Tahi­ti, Pye Corn­er Au­dio, Peak­ing Lights), lokale Berühmtheit­en un­ter­schiedlich­er Gen­er­a­tio­nen (Elek­tronische Musik aus: Köln, Plu­ra­mon, Cologne Tape) und als Spe­cial Guest der deutsche Su­per­s­tar Ju­lia Hum­mer.

my heart's in my hand, and my hand is pierced, and my hand's in the bag, and the bag is shut, and my heart is caught ist der kopf­sprun­gartige Abriss ein­er Stadt und ihr­er zah­l­losen unge­hörten Geschicht­en und Facet­ten des Lebens, die täglich über­hört wer­den. Collins In­teresse liegt im lyrischen und epischen Po­ten­tial der men­sch­lichen Stimme, be­son­ders in Bezug auf die an Be­deu­tung ver­lierende Fest­netz-Tech­nolo­gie. Er be­trachtet die emo­tio­nale Bin­dung, die wir mit dem Tele­fon einge­hen, wenn es als Aus­druck sozialer Ex­is­tenz funk­tioniert. Das Pro­jekt rückt den na­hezu vergesse­nen As­pekt eines Tele­fonge­sprächs in den Fokus: seine Ph­y­sis und Ro­man­tik, seine zer­e­monielle und per­for­ma­tive Na­tur, seine Fähigkeit, Dis­tanz zu schaf­fen und gleichzeitig zu über­win­den und besch­wört die Poe­sie des ge­sproch­e­nen Wortes her­auf - Re­dewen­dun­gen, das Ver­mis­sen eines Ortes oder ein­er Per­son. In­dem er den Mo­ment der Kom­mu­nika­tion wie ein ein­ma­liges Ange­bot in­sze­niert, isoliert und dra­ma­tisiert Collins ihn zu ein­er in­ti­men und am­bi­va­len­ten Begeg­nung.

Die an­deren in der Ausstel­lung gezeigten Ar­beit­en kön­nen eben­so als Aus­ge­burten dies­er sel­ben ruchlosen Verbin­dung von Pop und Pol­i­tik ge­se­hen wer­den. Auch sie bein­hal­ten orig­i­nale Sound­tracks des wal­li­sischen Musik­ers Gruff Rhys und der Surf-Band Y Ni­wl aus Nord Wales. Die In­s­tal­la­tion This Un­for­tu­nate Thing Be­tween Us (2011) basiert auf der Sen­dung TUT­BU.TV, einem al­ter­na­tiv­en Te­leshop­ping-Ka­nal, der live im deutschen öf­fentlich-rechtlichen Fernse­hen per­formed und aus­ges­trahlt wurde. Die Schaus­piel­er und Porno-Film­crew, die für TUT­BU.TV en­gagiert wur­den (Ju­lia Hum­mer, Su­sanne Sachsse, Sharon Smith, Judy Minx, Pau Pap­pel, Mat­thias Matschke, Trys­tan Püt­ter, Niels Bor­mann, Chris­tian Kärgel, Mar­cel Sch­lutt), verkauften echte Er­leb­nisse statt massen­pro­duzierten Ge­brauchs­ge­gen­stän­den und boten damit ei­nen quälen­den Aus­blick auf das, was die Zukunft des Kon­sum­fernse­hens sein kön­nte.Auf der an­deren Seite der Welt, in Malaysia, en­s­tand der Kurz­film the mean­ing of style (2011), eine tropische Fan­tasie mit einem Cast aus an­ti-faschis­tischen Sk­in­heads und ex­o­tischen Sch­met­ter­lin­gen, welche den Rah­men für eine po­etische Be­trach­tung der Bezie­hun­gen zwischen bri­tisch­er Kolo­nialgeschichte und Ju­gend­sub­kul­turen in Süd-Ost-Asien bildet.

Ku­ra­torin: An­na Brohm